Seeing Past Future

Pollock-Krasner Foundation New York

https://www.artland.com/exhibitions/seeing-past-the-future

Erste Reihe Hunderennen Grisebach Berlin

https://www.grisebach.com/auktionshaus/termine-veranstaltungen/termin/event/d/s/t/antony-valerian-erste-reihe-hunderennen-180.html

Antony Valerian dreht durch.
Der junge Malerfürst hat sich eine neue Serie ausgedacht. Manchmal sitzt er tagelang herum und brütet vor sich hin. Dann isst er die Eier selber- pervers? Das junge Kunstgenie ist verwirrt. Er hat sich eingeschmiert mit Farbe. Wenn er besonders erregt ist läuft er nackt auf die Straße und schreit „Why?“. Oder „Hallo!“. Die Öffentlichkeit ist fasziniert von ihm, weil er ist ein bunter Vogel. Manchmal trinkt er bei Starbucks- wo all die Maler sitzen- mehrere Cappuccino ohne Koffein hintereinander. Dann wieder läuft er affig im Kreis herum, oder pisst auf seine Bilder. Den Impuls nimmt er von sich selber auf und malt aus seiner Pisse eine wunderschöne Sonnenblume- schon wieder genial! Vor kurzem war der junge Malerfürst bis zwei Uhr morgens wach. Dadurch wurde er fast wahnsinnig. Er hat versucht sich mit einem Küchenmesser ein Ohr abzuschneiden, aber es ging nicht ab. Irre vor Hass hat er das Messer mit einem Hammer kaputt gehauen, typisch Genie eben. Manchmal sitzt der junge Malerfürst bei Vapiano und trinkt einen Wein- einfach crazy! Das ist er einfach: 
Antony Valerian.


Jetzt geh ich wieder ins Bett, servus- Rocko Schamoni

Der Fehler in der Ahnengalerie

Antony Valerians Frauen des 21. Jahrhunderts

Natürlich wissen wir nichts über diese Frau in Gelb. Aber wir sehen, dass ihr Gewand herrschaftlich wirkt, ihre Haltung eine selbstbewusste Ruhe ausstrahlt, ihr Gesicht Erfahrung widerspiegelt. Die Zigarette in ihrer Hand, von der weißer Rauch aufsteigt wie ein Signal, hat etwas Selbstbestimmtes, über die Konventionen Erhabenes.

Was immer die Frau mit der schwarzen Haube da auf der runden Tischplatte mit ihren Händen tut, kann sie sehr gut. Wahrscheinlich ist es ihre Spezialität. Sie muss nicht einmal hinschauen, so oft hat sie in ihrem Leben schon mit diesen Materialien hantiert. Und sie braucht wirklich keine Bestätigung von irgend jemandem.

Oder die Frau im grünen Faltenrock. Vielleicht hatte mal jemand neben ihr gestanden, aber jetzt steht sie allein, und das ist mehr als plausibel. Ein Raster zeigt wo ihr Platz ist: in der Mitte.

Der Maler Antony Valerian hat diese Frauen in den Fotografien von August Sander entdeckt. Sie stammen aus Sanders „Menschen des 20. Jahrhunderts“, einem großen Archiv fotografischer Porträts aus allen Bereichen der Gesellschaft. Diese Frauen waren Bäuerinnen, die Frauen der Bauern.

Es gibt nichts, das Menschen lieber anschauen als Menschen. Schon Neugeborene, die nahezu gar nichts können, sind mit dieser einen Fähigkeit ausgestattet: In Gesichtern zu lesen. Das Entschlüsseln von Ausdruck ist für sie vom ersten Moment an lebenswichtig. Wir können von Anfang an nicht anders als hinzuschauen. Es ist dieser Impuls, der uns unser Leben lang verbindet – zu entschlüsseln, was wir in der oder dem Gegenüber sehen. Selbst wenn das Gesicht, das wir zu lesen versuchen, das eines gemalten Menschen ist. Oder: Erst recht dann.

Antony Valerian malt Menschen wie hinter einem transparenten Vorhang. Alles ist da, die Positur, das Gesicht, die Garderobe. Aber nichts gänzlich ausbuchstabiert. Wie in einem Traum, in den man nicht hineinzoomen darf, weil sich sonst der Hintergrund nach vorne schiebt und sich zwischen uns stellt. Bleibt nur, die Distanz zu wahren und mit dem weiterzumachen, was gewiss ist. Gewiss ist eine lange Tradition der Herrscherbildnisse. Kann es sein, dass wir es hier mit einer Ahnengalerie zu tun haben?

Ja, und zwar mit der Ahnengalerie der Porträtmalerei selbst. Seit der Antike ist sie das gängige Genre zur Repräsentation zumeist männlicher Macht. Museen, Schlösser und Sammlungen sind voll von diesen Männern. Wenn an der absoluten Spitze der Gesellschaft der reife Alleinherrscher steht – unabhängig, niemandem eine Erklärung schuldig, nach Belieben tyrannisch oder milde – dann ist an ihrem unteren Ende der Platz der alten, alleinstehenden Frau. Auch wenn sie über dieselben Attribute verfügt: unabhängig, niemandem eine Erklärung schuldig, nach Belieben tyrannisch oder milde. Alles, was seine Qualitäten sind, beweist in der Geschichte immer nur ihre Unwichtigkeit.

Antony Valerian scheint mit seinen Bildnissen diese ungerechte Grausamkeit aufzuheben. Er malt diese Frauen so, wie es sonst nie jemand tut. Er gibt ihnen das Recht, vollkommen undurchschaubar zu bleiben. Sie nehmen sich ihren Raum, und sie geben uns nichts von dem, was die Geschichte uns zu erwarten gelehrt hat: Hier sind keine Anmut, keine Beflissenheit oder Gelehrsamkeit zu erkennen. Ihre Rollen haben die Frauen auf den Bildern von Antony Valerian sich ganz alleine selbst gegeben, sie halten an ihnen fest, sie denken gar nicht daran, zu gefallen oder etwas zu ändern oder Platz zu machen. Sie sind Herrscher.

Alte Gesichter, sagt Antony Valerian, seien für ihn viel interessanter zu malen. Es passiert mehr, es ist mehr da. Wir wissen nichts über diese Frau in Gelb. Aber sie weiß etwas über uns.

Silke Hohmann, Berlin 2022

Valerians Garten

Anlässlich der Ausstellung ‚Ich zeigte ihnen, wie man ein Kreuz errichtet‘ von Antony Valerian

Marlon del Mestre

Seit zwei Stunden saß Valerian in seinem Garten. Der Garten war der eigentliche Grund gewesen warum er das Haus gekauft hatte. Er war wild und rau. Am Hang angelegt, stieg er hinter dem Haus etwa fünfzehn Meter weit empor, auf eine Höhe von etwa sechs Metern, wo er dann, durch einen Felsvorsprung begrenzt, auf einer Linie mit den Fenstern des obersten Stockwerks lag. Rosmarin, Lavendel und Agaven wuchsen in der staubigen Erde zwischen Sandsteingeröll und auf halber Höhe stand ein kleiner Lorbeerbaum. Darunter hatte er seine Katze begraben. Ein abgebrochenes Kreuz markierte die Stätte. Schulterhohe Mauern aus vermörtelten Findlingen fassten den Garten zu beiden Seiten ein. Am Fuß des Hanges, wo Valerian jetzt saß, gab es eine terrakotta-geflieste Terrasse. Valerian hatte nur einen einzigen alten Holzstuhl nach draußen gestellt, den er durch den Garten trug, wann immer er sich einen neuen Platz suchte. Die Tage in seinem Garten folgten dem Lauf von Valerian, nicht umgekehrt. Alles was dort zu sehen war, hatte er sich zu eigen gemacht. Und weil das so war, fand er, schauten auch seine Gäste im Grunde genommen auf ihn, wenn sie den Garten betrachteten. Und weil alle Fenster des Hauses auf den Garten gingen und keines ihn überragte, wusste er ihre Blicke sicher auf sich, und viel wichtiger: Sahen sie was er sah. Oder so hoffte er.
Im Winter, wenn es regnete, goss das Wasser den Hang herab und verwandelte die Terrasse in ein knöchelhohes Becken, aus dem es nur langsam durch ein kleines, mit einem gusseisernen Gitter verschlossenes, rundes Loch abfloss. Für Valerian war dieses kleine Loch in die Unterwelt der einzige Ausgang aus seinem Garten.

Antony Valerian born 1992 Hamburg, Germany
lives and works in Berlin and Vienna

Contact: mail@antonyvalerian.com

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